Zyklus 2 / Arbeitsgruppe 1
Konkrete Voraussetzungen für einen gemeinsamen Aufarbeitungsprozess
Zusammenfassung der Ergebnisse aus den AG-Sitzungen am 27.05., 11.07. und 11.09.2024. Sie fasst die zentralen Diskussionspunkte und Ergebnisse zusammen, ohne sich an den chronologischen Verlauf der Treffen zu halten
1. Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
- Kommunikationsvertrag: Vor Beginn eines Aufarbeitungsprozesses wird ein Kommunikationsvertrag abgeschlossen, der die Regeln des guten Miteinanders, Rollen der Beteiligten, Ziele, Abläufe, Rahmenbedingungen und Budgetfragen klärt. Dies schafft eine verlässliche Grundlage für den gesamten Prozess und verhindert Missverständnisse.
- Parität und Rollenklarheit: In Gremien wird Parität angestrebt, sodass Betroffene nicht in der Unterzahl sind. Die Rollen aller Beteiligten, inklusive externer Unterstützung, werden transparent festgelegt. Besonders wichtig ist die Unabhängigkeit der externen Begleiter:innen, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
- Beschwerdemanagement: Ein internes und externes Beschwerdemanagement bietet sowohl innerhalb der Institutionen als auch außerhalb eine Anlaufstelle für Rückmeldungen und Kritik. Dieses System muss leicht zugänglich und transparent sein.
- Evaluation: Konkrete Maßnahmen zur Evaluation und Feedbackmöglichkeiten werden angeboten, einschließlich regelmäßiger Rückmeldeschleifen und Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen. Die Ergebnisse der Evaluation werden öffentlich zugänglich gemacht, um Vertrauen und Transparenz zu gewährleisten.
- Transparenz: Sowohl innerhalb der Institutionen als auch nach außen wird Transparenz über Mitwirkende, ihre Rollen und die Struktur der Aufarbeitung gewährleistet. Dazu gehört die Veröffentlichung von Zwischenberichten und die klare Kommunikation der nächsten Schritte.
2. Partizipation und Einbindung von Betroffenen
- Vielfalt und Inklusion: Menschen mit Mehrfachdiskriminierungen (z. B. Rassismus, Beeinträchtigungen, trans*, inter* und nicht-binäre Personen) werden aktiv einbezogen. Die Partizipation dieser Gruppen wird durch gezielte Ansprache und barrierefreie Formate sichergestellt.
- Anonyme Meldungen: Zur Förderung der Beteiligung und zum Schutz werden anonyme Meldungen zu Fällen sexualisierter Gewalt ermöglicht. Diese schaffen eine niederschwellige Möglichkeit für Betroffene, sich zu äußern, ohne sich einem zusätzlichen Risiko auszusetzen.
- Barrierefreiheit: Leichte Sprache, Gebärdensprachdolmetschende und spezifische Strukturen erleichtern die Partizipation. Veranstaltungsräume müssen barrierefrei sein, und digitale Angebote sollen ebenfalls inklusiv gestaltet werden.
- Selbstorganisation: Die Institutionen stellen Räume außerhalb ihrer eigenen Räume zur Selbstorganisation bereit und fördern die Vernetzung unter Betroffenen. Zusätzlich werden Ressourcen für die Selbstorganisation bereitgestellt, etwa finanzielle Mittel oder technische Ausstattung.
- Sicherheit und Begleitung: Traumasensible Begleitung und Supervision für Betroffene sind essenziell. Diese Maßnahmen helfen, emotionale Belastungen während des Aufarbeitungsprozesses und danach zu bewältigen und bieten psychologische Unterstützung.
3. Dynamik des Prozesses
- Flexible Ziele: Die gemeinsam definierten Ziele können im Verlauf angepasst werden, um auf neue Erkenntnisse oder Bedürfnisse der Betroffenen reagieren zu können. Ein regelmäßiges Überprüfen der Ziele wird als fester Bestandteil des Prozesses etabliert.
- Exit- und Wiedereinstiegsstrategien: Für Betroffene wird sichergestellt, dass sie den Prozess verlassen und wieder einsteigen können. Dies ermöglicht es den Beteiligten, ihre Teilnahme flexibel an ihre persönliche Belastungssituation anzupassen.
- Erinnerungskultur: Institutionen werden ermutigt, eine Erinnerungskultur zu etablieren, z. B. durch Veranstaltungen, künstlerische Aktionen oder öffentliche Darstellungen der Aufarbeitung. Diese Kultur soll langfristig bestehen bleiben und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
- Fortlaufende Evaluation: Aufarbeitung ist kein abgeschlossener Prozess, sondern erfordert ständige Reflexion und Monitoring. Dafür werden Monitoring-Gruppen eingerichtet, die unabhängig agieren und regelmäßig Berichte veröffentlichen.
4. Hürden und deren Überwindung
- Institutionelle Blockaden: Widerstände innerhalb von Institutionen werden adressiert, z. B. wenn wenig Betroffene sich melden oder Aufarbeitung als bloße Pflichtübung gesehen wird. Ein verbindliches Bekenntnis zur Aufarbeitung durch die Leitungsebene wird eingefordert.
- Datenschutz: Ein sensibles Thema, das beide Seiten verunsichern kann; klare Standards und Transparenz in der Datenverarbeitung sind nötig. Insbesondere der Schutz sensibler Daten der Betroffenen steht im Vordergrund, wobei gleichzeitig die notwendige Offenlegung gegenüber relevanten Stellen berücksichtigt wird.
- Emotionen und Glaubwürdigkeit: Die Wut von Betroffenen wird als legitimer Teil des Aufarbeitungsprozesses betrachtet. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass Emotionen nicht gegen Betroffene verwendet werden, um ihre Teilhabe an der Aufarbeitung bzw. ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die Institutionen werden geschult, um professionell und empathisch mit emotionalen Reaktionen umzugehen.
5. Abschluss und Nachhaltigkeit
- Prozessevaluation: Der Aufarbeitungsprozess endet nicht mit einem Bericht, sondern beinhaltet eine fortlaufende Analyse der eigenen Aufarbeitung. Ergebnisse und Empfehlungen werden klar dokumentiert und öffentlich zugänglich gemacht.
- Nachhaltigkeit: Institutionen sollen Verpflichtungen aus der Aufarbeitung kontinuierlich umsetzen und bei Bedarf Aufarbeitungsprozesse erneut aufnehmen. Dazu gehören die Implementierung von Schutzkonzepten und langfristigen Unterstützungsangeboten für Betroffene.
- Anerkennung und Monitoring: Empfehlungen werden überprüft, und die Umsetzung der Anerkennungszahlungen wird begleitet. Ein Monitoring-Prozess stellt sicher, dass die zugesagten Maßnahmen auch langfristig umgesetzt und weiterentwickelt werden.