Häufig gestellte Fragen
Hier finden Sie Antworten auf Fragen, die uns häufig gestellt werden – beispielsweise zu Ziel und Ablauf des Dialogprozesses, zu den beteiligten Personen, aber auch zu zentralen Begriffen, die verwendet werden.
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Der Dialogprozess dient der Entwicklung von Standards für eine umfassende, nachhaltige und sensible Partizipation von Betroffenen in institutionellen Aufarbeitungsprozessen.
Die Beteiligung von Betroffenen ist essenziell, weil ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Perspektiven die unverzichtbare Grundlage für qualitativ hochwertige, akzeptierte und nachhaltige Aufarbeitungsprozesse bilden.
Bislang fehlen Standards für eine gute und strukturelle Einbindung von Betroffenen in institutionellen Aufarbeitungsprozessen. Das führt dazu, dass sich die bisherigen Partizipationsmodelle stark voneinander unterscheiden und Betroffene immer wieder davon berichten, übergangen zu werden oder sich instrumentalisiert zu fühlen. Der Dialogprozess zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen.
Gestartet von der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) in Kooperation mit dem Betroffenenrat bei der UBSKM und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, bringt dieser Prozess Vertreter:innen von Institutionen, Betroffene und externe Fachpersonen zusammen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie eine echte Beteiligung von Betroffenen an Aufarbeitungsprozessen gestaltet und gesichert werden kann. Das übergeordnete Ziel ist die Stärkung der Rechte Betroffener und deren Empowerment. Dafür sollen Standards erarbeitet werden, die in künftigen Aufarbeitungsprozessen Verbindlichkeit und Orientierung bieten.
Das Ziel des Dialogprozesses ist es, Standards für die Beteiligung von Betroffenen sexualisierter Gewalt an Aufarbeitungsprozessen in Institutionen zu erarbeiten. Dies erfolgt durch den Dialog in verschiedenen Arbeitsformaten zwischen Betroffenen, Vertreter:innen von Institutionen, unabhängigen Expert:innen und dem Team Dialogprozess.
Der Prozess ist auf knapp zwei Jahre angelegt: Er startete mit einer Auftaktsitzung im November 2023 und soll im Juni 2025 mit einer Abschlusstagung enden. Die gemeinsam erarbeiteten Standards sollen einerseits als Leitfaden für Institutionen dienen, um Betroffenenbeteiligung in Aufarbeitungsprozessen effektiv zu gestalten und sicherzustellen, andererseits für Betroffene eine Orientierung bieten, wie Partizipation gelingen kann und wie sie möglicherweise selbst einen Aufarbeitungsprozess anstoßen können.
Die Standards werden auf dieser Website veröffentlicht.
Der Dialogprozess zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass sowohl UBSKM als auch der Betroffenenrat bei der UBSKM und die Unabhängige Aufarbeitungskommission ihn ausrichten. Dies ist ein Novum in der Geschichte dieser Strukturen, die es respektive seit 2010, 2015 und 2016 gibt.
Zum anderen bringt der Dialogprozess zahlreiche Akteur:innen zusammen. Eine solche Zusammensetzung, die sowohl Vertreter:innen diverser Institutionen, in denen sexualisierte Gewalt passierte, als auch Betroffene aus verschiedenen Kontexten sowie unabhängige Expert:innen „an einen Tisch“ bringt, hat es in dieser Form zuvor nicht gegeben. Diese Herausforderung macht aus dem Dialogprozess ein bisher einmaliges Projekt, das jedoch Schule machen könnte, sollte es erfolgreich abgeschlossen werden.
Institutionelle Aufarbeitung ist ein Feld, das gesellschaftlich, politisch und juristisch seit 2010 zunehmend eine Rolle spielt, und einige Institutionen haben in den letzten Jahren Aufarbeitungsprozesse angestoßen. (Öffentliche) Strukturen, wie z. B. Schulen, Sportvereine oder Diözesen, eignen sich in einem ersten Schritt eher für Standards als beispielsweise der Kontext des sozialen Nahraums. Denn durch ihre Öffentlichkeit und ihre Strukturen, die auch Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten umfassen, ermöglichen sie einerseits ein sog. Monitoring, also eine Begleitung und Beobachtung der vereinbarten Standards. Andererseits steht jede Institution mit ihren Strukturen für Hierarchien und formalisierte Abläufe, in denen z. B. Sanktionen, flächendeckende Anpassungen, klare Verantwortungsübernahme etc. möglich sind.
Allerdings ist der jetzt laufende Dialogprozess auch Ansporn, weitere Aufarbeitungskontexte zu erschließen.
Am Dialogprozess sind beteiligt:
- rund 60 Menschen, die von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend im institutionellen Kontext betroffen sind,
- etwa 60 Vertreter:innen von Institutionen, die bereits einen Aufarbeitungsprozess angestoßen haben,
- ca. 25 unabhängige Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen, die bereits Aufarbeitungsprozesse begleitet und Studien erarbeitet haben,
- das Team Dialogprozess mit vier Mitgliedern des Betroffenenrates bei der UBSKM, zwei Mitgliedern der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, drei Mitarbeiterinnen aus dem Arbeitsstab UBSKM und einem Mitarbeiter von Dissens – Institut für Bildung und Forschung e. V. und
- eine Moderatorin und eine Fachberaterin, die die Präsenzsitzungen in Berlin begleiten.
Hier finden Sie eine Übersicht des Teams.
Betroffene mussten sich bewerben, um eine repräsentative und vielfältige Gruppe von Teilnehmenden zu gewährleisten. Die Begrenzung der Teilnehmendenzahl war notwendig, um effiziente Arbeit in den thematischen Arbeitsgruppen zu ermöglichen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Beteiligung von Betroffenen ein wesentlicher Schlüssel für eine gelungene Aufarbeitung ist. Um eine möglichst große Vielfalt an Erfahrungen und Perspektiven abbilden zu können und ein Gleichgewicht mit den teilnehmenden Institutionsvertreter:innen herzustellen, sollen Betroffene aus möglichst allen institutionellen Kontexten an dem Prozess beteiligt werden.
Es gab eine Ausschreibung und ein schriftliches Bewerbungsverfahren. Das Team Dialogprozess war zugleich auch das Auswahlgremium und sichtete die rund 200 Bewerbungen. Dabei hat das Team die Faktoren gewichtet, anhand derer in der Folge die Auswahl getroffen wurde. Relevant waren vor allem der institutionelle Kontext, das Geschlecht, das Alter, der zum Ausdruck gebrachte Handlungsbedarf und die Ehrenamtserfahrung. Das Team hat alle Bewerbungen danach erfasst und kategorisiert. Auf dieser Grundlage hat es dann festgelegt, wie die Gruppe der Teilnehmenden nach den oben genannten Faktoren zusammengesetzt sein sollte, um auch repräsentativ für alle eingegangenen Bewerbungen zu sein. Dabei war es allerdings auch wichtig, Interessent:innen zu berücksichtigen, die noch keinerlei Aufarbeitungs- oder Ehrenamtserfahrung haben.
Das Team Dialogprozess ist auf Institutionen zugegangen, die bereits einen Aufarbeitungsprozess angestoßen haben. Hierfür gab es zwei wesentliche Gründe: Der Dialogprozess lebt von der Expertise und den Erfahrungen seiner Teilnehmenden. Eine Institution, die bereits aufgearbeitet oder sich zumindest bereits mit einem solchen Prozess auseinandergesetzt hat, kann konkrete Herausforderungen, Hürden und „Dos and Don’ts“ einbringen. Des Weiteren erzeugt die direkte Ansprache eine größere Verbindlichkeit, als wenn sich die Institutionen auch hätten bewerben müssen.
Mit „Institutionen“ sind verschiedene private, öffentliche oder nichtstaatliche Organisationen gemeint, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten oder aufgehalten haben. Dazu gehören Schulen und Internate, Sportvereine, Pfadfinderverbände, Kirchen und Orden, aber auch Kinderheime, Psychiatrien und andere stationäre Einrichtungen genauso wie Parteien oder Jugendorganisationen.
Die unabhängigen Expert:innen nehmen eine wichtige Rolle als „Aufarbeitende“ im Dialogprozess ein. Sie bringen ihr Wissen aus institutionellen Aufarbeitungsprozessen und ihre vielfältige Expertise ein. Die meisten von ihnen sind Wissenschaftler:innen, die bereits Studien zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen durchgeführt haben. Durch ihre unabhängige Position und ihr Fachwissen tragen sie wesentlich dazu bei, dass der Dialogprozess ausgewogene und praxisorientierte Ergebnisse erzielt.
Aufarbeitung soll vergangenes Unrecht aufdecken. Am Beginn von gesellschaftlicher Aufarbeitung stehen die Erfahrungen der Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend von sexualisierter Gewalt betroffen waren. Ihre Berichte ermöglichen es, Ausmaß und Folgen sexuellen Missbrauchs in Deutschland offen zu benennen und zu untersuchen, welche Strukturen sexualisierte Gewalt ermöglicht haben. Aufarbeitung will klären, warum sexueller Kindesmissbrauch vertuscht oder verschwiegen wurde und Wege aus diesem Schweigen aufzeigen. Aufarbeitung kann eine juristische Aufklärung von Straftaten oder die individuelle Verarbeitung des Traumas in einer Therapie nicht ersetzen. Gesellschaftliche Aufarbeitung macht jedoch das Unrecht der Vergangenheit zum Thema der Gegenwart. Aufarbeitung zielt auf ein besseres Verständnis der Gesellschaft für die Dimensionen sexuellen Kindesmissbrauchs, damit Kinder in Zukunft sicher leben können.
Quelle: https://www.aufarbeitungskommission.de/kommission/aufarbeitung/was-bedeutet-aufarbeitung/
Die Standards werden von allen Beteiligten erarbeitet. Bis zu 160 Teilnehmende treffen sich regelmäßig in digitalen Arbeitsgruppen und in Plenarsitzungen in Berlin, um verschiedene Aspekte der Betroffenenbeteiligung zu diskutieren. Die Arbeitsgruppen sind vielfältig besetzt, um unterschiedliche institutionelle Perspektiven und Betroffenheiten sowie externe Expertise einzubeziehen. Anhand zentraler Fragestellungen werden Ergebnisse erarbeitet und dokumentiert, analysiert und fließen in die Weiterentwicklung des Prozesses ein. Die finalen Standards werden voraussichtlich im Juni 2025 vorgestellt und veröffentlicht – um dann in der Praxis Anwendung zu finden.
Den genauen Zeit- und Arbeitsplan des Dialogprozesses finden Sie hier.
Die Teilnahme am Dialogprozess ist für viele Betroffene eine besondere Herausforderung – insbesondere, weil sie sich mit Vertreter:innen von Institutionen austauschen, in denen sexualisierte Gewalt geschehen ist.
Um die Teilnahme für Betroffene zu erleichtern und auf mögliche Vorbehalte einzugehen, wurden verschiedene Strukturen geschaffen und Angebote zur Unterstützung gemacht:
- Strukturierter Rahmen für einen konstruktiven Austausch zwischen allen Beteiligten: Der Dialog ist stets moderiert, es gilt der Grundsatz „Störungen haben Vorrang“ und es wurden gemeinsam „Regeln des guten Miteinanders“ verabschiedet.
- Wertschätzung der Erfahrungen von Betroffenen – einschließlich jener mit negativen Erlebnissen in früheren Aufarbeitungsprozessen oder jener, die sich bisher nicht beteiligen konnten
- Kontinuierliche Unterstützung durch separate Vorbereitungsveranstaltungen und ein geschultes Team
- Flexible Beteiligungsformate, die es Betroffenen ermöglichen, Form und Intensität ihrer Mitwirkung selbst zu bestimmen
- Prinzipiell freiwillige Teilnahme mit der Möglichkeit, jederzeit zu pausieren oder ganz auszusteigen
- Teilnahme einer Fachberaterin bei jeder Präsenzsitzung in Berlin, die jederzeit ansprechbar ist, falls es Störungen oder Trigger gibt, inklusive der Möglichkeit, sich in einen separaten Raum zurückzuziehen
Im Team Dialogprozess gibt es das sogenannte Awareness-Team. Es besteht aus vier Mitgliedern, die bei Präsenzsitzungen klar gekennzeichnet und ansprechbar sind. Teilnehmer:innen können das Team akut oder im Nachgang zu einer Situation, Äußerung oder Ähnlichem aufsuchen und um ein Gespräch oder um Klärung bitten.
Zudem haben sich alle Beteiligten zu Beginn des Dialogprozesses auf Regeln des guten Miteinanders verständigt. Sie sollen gewährleisten, dass der Dialogprozess stets einen sicheren und vertrauensvollen Raum für alle Beteiligten bildet.
Der Prozess entwickelt Standards der Betroffenenbeteiligung im Kontext institutioneller Aufarbeitung. Gleichzeitig wird der Prozess selbst auch dokumentiert und reflektiert – auch, um die Frage zu beantworten „Wie geht Dialogprozess?“. Daher kann er Vorbild sein für andere Bereiche, weil wichtige Prinzipien und Verfahren in einem sensiblen Themenfeld demonstriert werden.
Die finalen Standards werden voraussichtlich im Juni 2025 vorgestellt und auf dieser Website veröffentlicht – um dann in der Praxis Anwendung zu finden. Die Zwischenergebnisse, Protokolle, Synopsen, etc. des Dialogprozesses werden laufend auf hier dieser Website ergänzt.
Nach Abschluss des Dialogprozesses sollen die erarbeiteten Standards in die Breite gestreut werden. Dies geschieht primär durch die zahlreichen Beteiligten am Dialogprozess und durch die Veröffentlichung der Standards und des gesamten Arbeitsprozesses auf dieser Site. Ziel ist, dass sich immer mehr Institutionen den Standards anschließen und diese umsetzen und anwenden.
- Hier finden Sie eine Übersicht zum Team des Dialogprozesses
- Hier finden Sie Informationen zu Kontaktmöglichkeiten